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DSP-Kurs Röber spielte die Amok-Komödie Verrücktes Blut

Deutschunterricht mit vorgehaltener Waffe: Lehrter Gymnasiasten beeindruckten am 20.03. ihr Publikum im Kurt-Hirschfeld-Forum mit der energiegeladenen Inszenierung eines verstörenden Theaterstücks zum Thema Integration.

Die Amok-Komödie Verrücktes Blut wurde am freien Theater Ballhaus Naunystraße in Berlin Kreuzberg von Schauspielerinnen und Schauspielern mit Migrationshintergrund unter der Leitung von Nurkan Erpulat und Jens Hillje entwickelt. „Wir haben das Stück um ein Drittel gekürzt und um zahlreiche Figuren erweitert, um es auf der Schulbühne spielen zu können“,sagt Theaterpädagoge Uwe Röber, der die Produktion mit seinem Q1-Kurs Darstellendes Spiel erarbeitet hat.

Das Thema der Deutschstunde, um die es in dem Stück geht, ist Friedrich Schillers Werk Die Räuber. Die Schülerinnen und Schüler, von denen die meisten einen Migrationshintergrund aufweisen, haben keinen Bock auf Unterricht. Aggressive Rempeleien und frauenfeindliche Sprüche beherrschen die Stimmung. Handys klingeln. Die Respektlosigkeiten gehen munter weiter, als die Lehrerin den Raum betritt.

Die verzweifelte Pädagogin reißt einem aufsässigen Schüler die Tasche mit seinem Handy weg. Plötzlich fällt eine scharfe Waffe auf den Boden des Klassenzimmers. Sie greift die Pistole und nimmt die Klasse als Geiseln. Nach einem Schuss in die Luft kann endlich der Unterricht nach den Vorstellungen der Lehrerin beginnen.

Eingeschüchterte Schüler rezitieren nun Textpassagen, die bereits Jugendliche zu Schillers Sturm-und-Drang-Zeiten aufrüttelten. Die Lehrerin schafft es schließlich, auch ihre rebellische Klasse über die Auseinandersetzung mit Schillers Figuren an den Punkt zu führen, dass sie ihr eigenes Handeln hinterfragen. Vor allem die Mädchen erkennen am Ende, dass Integration nicht nur Anpassung an grundlegende Werte unserer Gesellschaft, sondern auch individuelle Freiheit bedeutet.  (Manfred Filsinger)

In der anspruchsvollen Rolle der Lehrerin zeigten nacheinander Maleen Schrader, Linda Kiehne und Lisanne Wildt eine beachtliche Präsenz. Den Obermacho Musa, der bei seinem ersten Auftritt mit Liegestützen klarstellt, wer das Sagen in der Klasse hat, spielte Adnan Qerimi überzeugend.

17VerBlut (1)Musa überzeugt mit Liegestützen

17VerBlut (2)Der Zuspätkommer wird gemobbt

17VerBlut (3)Keiner hört den unmotivierten Schülern zu

17VerBlut (4)Frau Kelich hat die Waffe entdeckt, Musa beschwichtigt!

17VerBlut (5)Mit einem Warnschuss steigt die Motivation

17VerBlut (6)“Umarmt Euch!” – “Ich fass die … nicht an” Auch hier hilft der Warnschuss!

17VerBlut (7)Frau Kelich bedroht Musa – Die Schüler halten Abstand

17VerBlut (9)Frau Kelich hält die Klasse in Schach

17VerBlut (10)Vorsichtshalber in Deckung gehen

17VerBlut (15)Das Mobbingopfer wird aufgebaut

17VerBlut (16)Auch Musa soll den Schiller rezitieren

17VerBlut (17)Frau Kelich fällt auf einen Trick von Musa rein und verliert die Waffe

17VerBlut (18)Mariam hat die Waffe und verschafft sich bei den Jungen Respekt

17VerBlut (19)Dilara legt ihren Schleier ab

17VerBlut (20)Die Mädchen werden selbstbewusst und öffnen die Haare

17VerBlut (21)Die Schlussszene mit gegenseitigen Respekt

17VerBlut (22)Uwe Röber bedankt sich mit Blumen bei den Akteuren

Am 23.03.17 berichtete Susanne Hanke im Anzeiger Lehrte über dies Stück:

Unterricht auf die harte Tour – als Theater

 Mobbing, Krawall und ein Schuss: Gymnasiasten zeigen das Stück „Verrücktes Blut“

Wie begeistert man disziplinlose Schüler für die klassischen Werke Friedrich Schillers? Diese Frage hat der Kurs Darstellendes Spiel des Gymnasiums drastisch beantwortet. Im Kurt-Hirschfeld-Forum zeigte er das Stück „Verrücktes Blut“ – mit Power, krassen Kraftausdrücken und vielen milden Zwischentönen.

Sprüche, Imponiergehabe, Mobbing: Die Autorität von Lehrerin Frau Kelich ist zu Beginn des Stücks keine 10 Cent wert. Hilflos steht sie am Bühnenrand, ringt mit piepsender Stimme um Gehör und fleht um die Auseinandersetzung mit Schillers Werken. Erst als ein Schuss fällt, ändert sich ihre Situation schlagartig – und das Bühnenstück entfaltet ziemlich drastisch seine ganze Schärfe.

Denn Frau Kelich ist jetzt im Besitz einer Waffe. Die fand sie in der Tasche eines Schülers. Und nun kehrt sie die Machtverhältnisse um. Unterricht auf die harte Tour: Die Klasse ist verängstigt, der „Klassenking“ liegt verletzt am Boden, und fortan setzt die vormals so piepsige Frau Kelich ihre Ansprüche als Lehrerin mit lautstarken Befehlen durch. Eine ziemlich krasse Nummer ist es, die sich dort auf der Bühne abspielt. Doch eigentlich ist Frau Kelichs Verhalten ganz anders gedacht, als es auf den ersten Blick aussieht.

Denn die Lehrerin will ihre Schüler vor allem wachrütteln, zum Denken animieren und sie dazu auffordern, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und sich nicht dem üblichen dummdreisten Imponiergehabe hinzugeben. Und so entspinnt sich eine energiegeladene Handlung, die zwischen Assi-Sprache und klassischer Sprachkultur hin und her springt. Gerade noch wirft Hakim Begriffe wie „Nutte“ oder „Hure“ in den Raum, dann schlüpft er in die Rolle des Räuberhauptmanns aus Schillers „Die Räuber“ und zitiert mit einwandfreier Aussprache formvollendet aus dem Stück.

So beginnt ein Prozess der Auseinandersetzung um freiheitliche Themen, den die junge Schauspieltruppe akzentuiert umsetzt. Im Fokus steht dabei das Thema Migration. So fordert Kelich die kopftuchtragende Muslima Dilara auf: „Nimm dein Kopftuch ab, tue es für dich.“ Dilara, gespielt von Ehmi Trottner, hält jedoch vorerst an ihrer religiösen Prägung fest. Doch später nimmt sie ihr Tuch ab und lässt ihre Haare fliegen. Die Gymnasiasten zeigen kein schlichtes Stück Schülertheater. Speziell die Rolle der Frau Kelich sei schwierig zu spielen, betont Kursleiter Uwe Röber. Deshalb sei sie auch gleich dreifach besetzt worden. Maleen Schrader, Linda Kiehne und Lisanne Wildt, alle mit weißer Bluse und schwarzem Rock, geben der Lehrerin mit der Waffe ihr Gesicht. Dabei müssen sie viel Präsenz zeigen – und den Willen zur idealistischen Missionierung. Das gelingt.

Am Ende gibt es Beifall für eine Stunde geballte Spielpower, für das Hüpfen von Klischee zu Klischee, für die krassen Stellen und auch für die milden Zwischentöne. (Von Susanne Hanke)