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Lara Schulze (Q1) erreicht 4.Platz auf der Schach-WM in Mumbai

Die diesjährige Jugend-Weltmeisterschaft im Schach fand vom 1. bis zum 12. Oktober in der indischen Metropole Mumbai statt. Lara Schulze startete in der Altersklasse U18 Girls, da sie sich als Deutsche Meisterin hierfür qualifiziert hatte. Obwohl dies bereits Laras 6. Weltmeisterschaft war, ist es immer wieder aufregend an einem solchen internationalen Event teilzunehmen. Sie erreichte den 4.Platz, punktgleich mit Platz 3-6 und war sehr zufrieden mit ihrer Leistung! Es waren ca. 700 Spieler aus 65 Nationen dabei, davon in Laras Altersklasse 64 Spielerinnen. Gespielt wurden 11 Runden nach Schweizer System, das bedeutet, dass immer punktgleiche Spieler gegeneinander gelost werden.

Im folgenden Text schildert Lara ihre Eindrücke:

Dieses Jahr war der Druck besonders hoch, da ich aufgrund meiner hohen Ratingzahl in der Startrangliste auf dem 3. Platz stand. Trotzdem ist es auf internationaler Ebene meistens nicht so leicht die Ratingzahlen zu vergleichen, da es in Europa -speziell in Deutschland- sehr viele nach dieser Zahl ausgewertete Turniere gibt, während es in anderen Ländern, wie zum Beispiel dem Ausrichterland Indien, nur wenige gibt. Demnach sind deren Spieler oft unterbewertet. Dies zeigte sich gleich in der ersten Runde, in der ich gegen eine vermeintlich deutlich schwächere Inderin antreten musste und nicht über ein Remis hinauskam. Mit Siegen gegen eine Polin, eine Mongolin und eine Iranerin sowie Remisen gegen eine weitere Inderin und eine US-Amerikanerin stand ich aber nach 6 Runden wieder ganz vorne in der Tabelle. Danach folgte eine wichtige Partie gegen die polnische Meisterin mit genauso hohem Rating wie ich. Das besondere der Partie war, dass der Generalkonsul des deutschen Konsulats in Mumbai symbolisch meinen ersten Zug ausführte. Das war eine große Ehre für mich. Ich spielte eine wahre Glanzpartie und gewann das Spiel. Nun hatte ich mich endgültig in der Spitze festgesetzt. Nach dem freien Tag remisierte ich noch gegen eine Russin und eine Inderin. In der vorletzten Runde folgte das Duell gegen die erstgesetzte Favoritin Polina Shuvalova aus Russland, die sich bereits einen halben Punkt Vorsprung vor mir und ein paar anderen erarbeitet hatte. Leider verlor ich diese wichtige Partie und konnte sie nicht überholen. Jetzt hing alles an der letzten Runde: Verliere ich gegen die Chinesin, stehe ich am Ende maximal im oberen Mittelfeld, gewinne ich aber, habe ich durchaus noch eine Chance auf eine Medaille, habe aber zumindest mein Ziel unter die Top 6 zu kommen sicher erreicht. Ich spielte mit Schwarz eine scharfe Eröffnungsvariante, bewies, dass das Figurenopfer meiner Gegnerin inkorrekt war und gewann meine letzte Runde. Welch eine Erleichterung! Ich kam also am Ende auf 7,5 Punkte aus 11 Runden, genauso wie 3 weitere Spielerinnen. Die Zweitwertung, welche aus den Punkten der jeweiligen Gegnerinnen errechnet wird, entschied, dass ich auf dem 4. Platz landete, punktgleich mit Platz 3-6.  Ich hatte es also tatsächlich geschafft, mein Ziel zu erreichen.

Auf der Siegerehrung wurden die ersten 6 SpielerInnen der jeweiligen Altersklasse geehrt und erhielten eine Medaille. Dazu wurde immer die Nationalhymne des Weltmeisters gespielt. Bei mir siegte besagte Russin, die mir meine einzige Niederlage im gesamten Turnier zugefügt hatte. Es war ein tolles Gefühl für mich, mit der Deutschlandflagge auf der Bühne zu stehen, während die Nationalhymne gespielt wurde, auch wenn es nicht die deutsche Hymne war ; ).

Die Meisterschaft war hervorragend vom indischen Schachverband organisiert. Dies merkte man schon bei der atemberaubenden Eröffnungsveranstaltung. Es gab viele indische Tänze und Musiker zu bewundern, über Bollywood, Trommler, traditionelle Tänze zu Ehren der hinduistischen Götter Vishnu und Ganesha bis zu Popsängern war alles dabei. Dies war auch mit Abstand die herzlichste WM, die ich je erlebt habe. Die Inder sind alle sehr freundliche und höfliche Menschen.

Sehr viel Wert wurde bei diesem Turnier auf die Kontrollen bezüglich elektronischer Geräte gelegt, um Betrugsversuchen vorzubeugen. Handys und andere elektronische Geräte sind im Turniersaal strengstens untersagt, da man mithilfe einer Engine den besten Zug herausfinden könnte. Jeder Spieler wurde daher vor dem Betreten des Spielsaals mit Metalldetektoren abgescannt, zusätzlich auch nach jedem Toilettengang. Uhren jeglicher Art, Taschen und eigene Stifte waren verboten. Um den Überblick nicht zu verlieren, durften auch keine Zuschauer in den Saal, sondern konnten nur von außerhalb die live ins Internet übertragenen Partien verfolgen.

Gespielt und gewohnt wurde in einem sehr schicken 5*Hotel mitten in Mumbai. Außerhalb dieses Hotels habe ich während des Turniers nicht besonders viel mitbekommen, da meine schachliche Leistung nun einmal das Wichtigste bleibt. Denn eine Runde um 15 Uhr, welche 4 bis 5 Stunden dauert, bedeutet auch, dass vormittags etwa 4-5 Stunden Vorbereitung auf die Partie anstehen. Diese besteht darin, dass ich mir zunächst zusammen mit meinem Trainer die Partien meiner Gegnerin aus ihrer Datenbank anschaue. Danach wird spekuliert, welche Eröffnungsvariante sie wohl erwartungsgemäß spielen wird. Dazu überlegt man sich dann ein eigenes Konzept und analysiert diese Variante ca. 2 Stunden mit dem Computer und teilweise auch Büchern möglichst genau. Es folgen ungefähr weitere 2 Stunden, in denen ich die Varianten auswendiglerne, um möglichst schnell in eine vorteilhafte Stellung zu gelangen. Häufig kommt die gewünschte Variante aufs Brett, doch teilweise überraschen die Gegnerinnen mich auch und ich kann in diesem Fall meine 4 Stunden Vorbereitung nicht nutzen.

Am freien Tag konnte ich doch noch ein wenig die überfüllte Mega-Großstadt erleben. Mumbai hat ca. 25 Millionen(!) Einwohner, welches sich auch im Stadtbild wiederspiegelt. Die Busse und Züge sind so voll, dass unzählige Leute sich von außen an das Gefährt klammern oder auf dem Dach mitfahren. Das ist natürlich sehr gefährlich. Auch der Verkehr ist so chaotisch wie man sich nur vorstellen kann. Auf einer dreispurigen Straße tummeln sich teilweise fünf Autos nebeneinander und zusätzlich noch einige weitere Motorräder. Verkehrsregeln scheint es dort absolut keine zu geben: Wer am lautesten hupt, hat Vorfahrt! In den Taxis und Bussen werden die Koffer der Reisenden einfach oben auf dem Dach ohne weitere Befestigung transportiert. Das alles ist in Deutschland unvorstellbar.

Ein sehr verbreitetes Verkehrsmittel ist dort das Tuk-Tuk, auch Autorikscha genannt, welches eine Art Taxi darstellt. Ich fuhr oft vormittags eine Runde mit einem Tuk-Tuk, um eine kleine Pause zwischen meiner Vorbereitung zu haben. Da Tuk-Tuks keine Türen besitzen, hat man das Chaos hautnah mitbekommen, inklusive Staub und Abgase…

Eine Überraschung erlebte ich auch am „Gateway of India“. Auf dem großen Platz vor diesem Tor sprachen mich auf einmal mehrere Inder an, ob sie ein Foto/Selfie mit mir machen dürfen. Und das nur aufgrund meiner weißen Hautfarbe und blonden langen Haare. Als ich einwilligte, bildete sich eine große Gruppe, die ebenfalls alle ein Foto mit mir machen wollten. Ich wurde behandelt wie ein Star!

An dem freien Tag war außerdem in Indien ein Feiertag, an dem im Hinduismus gefeiert wird, dass der Gott Rama gegen den Dämon Ravan gewonnen hat. Daher konnten wir am Strand von Mumbai bei verschiedenen Zeremonien zuschauen. Dabei wurden riesige Stauen verehrt, dazu getanzt, geklatscht, gesungen. Sehr interessant!

Mumbai liegt übrigens in den Tropen: Es waren durchgängig über 35°C mit einer sehr hohen Luftfeuchtigkeit, eben ein tropisches Klima.

Das Essen war recht gewöhnungsbedürftig. Es gab jeden Tag ein indisches Buffet, welches zum Glück nicht so scharf gestaltet war wie sonst in Indien üblich. Trotzdem bin ich grundsätzlich kein Fan des indischen Essens; einzige Ausnahme bildet das indische Brot namens „Bhakri“.

Meine Reise nach Indien hat sich wirklich gelohnt: Ich habe schachlich sehr gut abgeschnitten und zusätzlich noch viele Eindrücke in einem Land sammeln können, welches wirklich komplett anders ist als unseres.

Alle Schachbegeisterten des Gymnasiums Lehrte beglückwünschen Lara zu dieser außergewöhnlichen und hervorragenden Leistung!

Links:

Turnierhomepage
http://worldyouthchess.com/

Tabelle U18 Girls
http://chess-results.com/tnr470714.aspx?lan=0&art=1&rd=11&fedb=GER&turdet=YES&flag=30

Live-Partie auf Ches24 zum nachspielen:
https://chess24.com/de/watch/live-tournaments/world-youth-championship-2019-g18/7/1/2

Bericht auf ChessBase
https://de.chessbase.com/post/oktoberfest-in-mumbai
https://de.chessbase.com/post/die-jugend-greift-an-am-liebsten-den-koenig

Laras WM-Blog
http://sk-lehrte.de/blog.php?doc=12

Live-Partie auf Ches24 zum nachspielen:
https://chess24.com/de/watch/live-tournaments/world-youth-championship-2019-g18/7/1/2

Selfi vor dem Gateway of India in Mumbai
Runde 10:   Lara gegen Polina Shuvalova (Russland)
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Siegerehrung U18w
Mumbai City
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